Die Marke Arztpraxis oder: was bin ich?

Viktoria HauseggerExpertin Viktoria Hausegger, Fachbuchautorin, Trainerin und Inhaberin des renommierten Beratungsunternehmens mehr.wert. für ärzte und apotheker - marketing das gezielt bewegt, zum Thema Praxismarketing.


Dieser Beitrag von Viktoria Hausegger wurde auch im Fachbuch „Medizin trifft Marke“ Springer, 2015 publiziert.  

Wenn es um die Aufmerksamkeit der Patienten geht, ist der Erstkontakt sicher der wichtigste. Ist dieser nicht klar, verständlich und überzeugend geht dieser in der Sintflut der täglichen (Werbe-)Botschaften unter, mit denen wir heute tagtäglich konfrontiert sind.

Die stetig wachsende Zahl an Gesundheitsdienstleistern hat auch die Welt der Arztpraxen verändert, und sie wird sich rasant weiterverändern! Eine Praxis, die als „Marke“ wahrgenommen wird, hat in Zeiten wie diesen einen klaren Wettbewerbsvorteil.

Daher sind auch niedergelassene Ärzte gefordert, die Komfortzone zu verlassen und aktiv an einer erfolgreichen Zukunft zu arbeiten: Wer eine eigene Praxis führt oder gründet, steht heute vor vielen Herausforderungen.  Eine, wenn nicht die wichtigste, lautet: 

Wie und womit erreicht man genau jene Patientengruppen, die man langfristig binden will?

Das Erbringen medizinischer Qualität wird heutzutage vorausgesetzt. Der Patient sucht nach weiteren Gründen (Vorteilen), um sich für eine Praxis zu entscheiden! Um wahrgenommen zu werden, muss es gelingen, diese Gründe klar verständlich und zielgerichtet zu kommunizieren. 

Auch Ärzten gelingt es heute nur mit einer professionellen Markenführung, Interessenten und Patienten darüber zu informieren, wo ihre Stärken und Besonderheiten liegen.

Achtung! Dies bedeutet natürlich nicht, dass eine ausgefeilte Markentechnik der 
medizinischen Qualität entgegensteht – ganz im Gegenteil! Es geht darum, diese eindeutig und verständlich sichtbar zu machen.

Durch die Marke kann der Patient die Leistung und das Angebot vom Mitbewerb unterscheiden. Das gelingt, wenn die Marke mit (für den Patienten!) relevanten Inhalten aufgeladen wird: dem Markenversprechen, das für den Patienten auf allen Ebenen – Kontaktpunkten – erlebbar wird. 

Es geht also um weit mehr als um ein gefälliges grafisches Signet am Ordinationsschild – welches – fragt man Ärzte – meist als Marke verstanden wird. 

Schrittweise zur erfolgreiche Marke Arztpraxis 

Exzellente Markenentwicklung setzt von innen an! Vor allem in Dienstleistungsmarketing (der Arzt wird heute als Dienstleister wahrgenommen) ist die Markenentwicklung auch allgemeine Konzeption der Unternehmungsphilosophie, der Unternehmungsführung im Sinn eines konsequent patientenbezogenen Denkens. 
Die Identität einer Praxis (Markenidentität) erfasst wesensprägende Merkmale und 
gibt damit die Leitgedanken für das tägliche Handeln in der Praxis vor! 

Markenführung ist hier auch Führungsaufgabe, die sich auf Planung, Steuerung, Kontrolle, Koordination der Aktivitäten im Hinblick auf die Markterfordernisse bezieht.
Nachhaltigen Erfolg erzielt man „als Marke“, wenn der Patient einen entscheidenden Zusatznutzen oder auch Mehrwert spürt und hautnah erlebt, wie z.B. 
 
•    das Leistungsangebot
•    die Qualität der erbrachten Leistung
•    den Umgang und die Kommunikation  mit den Patienten
•    das Serviceangebot und die Servicequalität
•    die Preisgestaltung 
•    das Mitarbeiterverhalten


Schritt 1: DIE SITUATIONSANALYSE

Damit eine Arztpraxis zur Marke wird, ist es zunächst erforderlich, die Perspektive zu wechseln und ein Verständnis für das Erleben (die Erlebniskette) der Patienten zu entwickeln.
Dazu sollte sich der Praxisinhaber folgende Fragen stellen: 

  • Was bietet meine Praxis? 
 
  • Über welche Eigenschaften verfügt meine Praxis?
Markenprofil
  • Wie will ich wahrgenommen werden?
Markeneigenschaften 
  • Was erlebt der Patient (Anrufer!) in meiner Praxis?    
Markenerlebnis
  • Wie tritt die Praxis/das Team auf? 
Markenbild/Markentonalitäten
  • Wo tritt meine Praxis auf?    
 
  • Wie und wo trifft der Interessent auf meine Praxis? 
Markenkontaktpunkte

Zusätzlich gilt es auch, die externen Rahmenbedingungen – wie Praxisumfeld, Patientenbedürfnisse, Trends und Mitbewerber – zu beleuchten, damit eine Soll-Identität entwickelt wird, die als einzigartig wahrgenommen und nachhaltig verinnerlicht werden kann.

Es geht also um eine eindeutige Identität, ein eindeutiges Profil mit einem eindeutigen Nutzen für die Zielgruppe Patient! Nur wenn es gelingt, einen präferierten Platz in den Köpfen der Menschen/Patienten zu erobern, können diese sich bewusst für sie entscheiden, wird die positive Mund-zu-Mundpropaganda nachhaltig unterstützt.
Der Markenkern und die Markenbotschaft (Leistungsversprechen) sind sozusagen die DNA der Praxis. Das Verhalten der Mitarbeiter, die internen Abläufe und alle externen Kommunikations-Schritte müssen diese DNA einheitlich transportieren. Gelingt dies nicht, wird die Praxis sehr schnell unglaubwürdig, was dem Image enormen Schaden zufügt.

Das bedeutet: Nicht nur der „Arzt und Unternehmer“ ist Botschafter „seiner Marke“, auch die Mitarbeiter müssen im täglichen Umgang mit den Patienten das Markenversprechen leben! 

Den Mitarbeitern ist dies aber nur dann möglich, wenn sie die Chance erhalten, sich mit der Praxisidentität, dem Praxisleitbild auseinanderzusetzen, sich damit identifizieren können und die Ziele verstehen.

Es geht also um sehr viel mehr als Werbung, Verkauf und Promotion – Markenentwicklung ist auch ein umfassendes Leitkonzept der Unternehmensführung.

Tipp: 

Binden Sie Ihre Mitarbeiter aktiv in den Prozess der Markenbildung – z.B. beim Entwickeln des Ordinationsleitbildes oder beim Finden von (neuen) Serviceleitungen – mit ein!


Schritt 2: DAS PRAXISLEITBILD – Mission is possible!

Das Praxisleitbild informiert über die „Existenzberechtigung“ der Praxis sowie deren Identität und Wertewelt. Es hält keine aktuelle Situation fest sondern ist richtungweisend und zukunftsorientiert. Es ist eine Orientierungshilfe für alle praxisbezogenen unternehmerischen Tätigkeiten. Neben dem fachlichen „Verkaufsargument“ hält es das ideelle Alleinstellungsmerkmal und die Praxiskultur fest. Diese bestimmt den Umgang miteinander und beeinflusst damit die Atmosphäre in der Praxis.

Achtung! Die Praxiskultur ist sehr wichtig, denn der Patient kann die Qualität der medizinischen Leistung nicht beurteilen. Deshalb zieht er alle spürbaren Faktoren, das was er in der Praxis erlebt, unterbewusst und automatisch als Ersatzkriterium für die Beurteilung der ärztlichen Leistung heran!

Das Praxisleitbild ist sozusagen ein „Skript“ für das tägliche Handeln in der Praxis und hat damit eine starke Wirkung nach innen (Mitarbeiter) und außen (Patienten, Umfeld). Es ist somit ein unverzichtbares Instrument im Praxismarketing und in der Mitarbeiterführung; da das Leitbild charakteristisch für die Praxis ist, gleicht kein Praxisleitbild dem anderen.

Das Beantworten der nachfolgenden Fragen, bringt wesentliche Inhalte für die Erstellung eines wirkungsvollen Leitbildes: 

  • Was machen wir genau?
  • Warum gibt es uns?
  • Wo wollen wir hin?
  • Was ist zu tun, um ein anhaltendes Wohlfühlklima zu schaffen, für meine Patienten, meine Mitarbeiter und mich?  
  • Welches Wertesystem will ich leben? 
  • Was möchte ich mit meiner Praxis verwirklichen? 
  • Welche Probleme lösen wir für unsere Patienten? (Probleme aus der Sicht der Patienten, keine Leistungsaufzählung!)

Auch das Formulieren von Statements kann hilfreich sein: 

  • Das verstehen wir unter Fairness und Verantwortung (Beziehung zu Patienten, Mitarbeitern, zuweisenden Kollegen etc…).
  • So führe ich meine Mitarbeiter.
  • Das ist mir im täglichen Miteinander wichtig.
  • So stellen wir Innovationen/Verbesserungen sicher
  • So arbeiten wir als Team.

Für das Erarbeiten eines Praxisleitbildes sollte genügend Zeit eingeplant werden – am besten ist es, wenn alle Mitarbeiter der Arztpraxis daran mitarbeiten. 

Tipp: 

Die Investition in einen Experten lohnt sich – denn damit erhalten Sie Unterstützung, kommen effizient und strukturiert zu einem Ergebnis. Gut konzipiert,  trägt dieser Prozess auch gleichzeitig zum Team Building bei und motiviert nachhaltig!


3. Schritt: DIE POSITIONIERUNG

Positionierung beschäftigt sich damit, Lücken im Markt zu finden und sie zu besetzen. Es geht darum, als Praxisinhaber mit seinen (Dienst-)Leistungen als etwas Besonders, Einzigartiges wahrgenommen zu werden, sich entfalten zu können und Möglichkeiten der Weiterentwicklung zu finden. Die entscheidende Fragen lautet auch hier: 

Wofür stehe ich, und warum sollte sich ein Patient ausgerechnet für mich entscheiden?

Die wenigsten Ärzte haben sich mit dieser Frage auseinandergesetzt – hier herrscht die gängige Meinung: „Patienten entscheiden sich aufgrund meiner Fachkompetenz für mich, sie ist das wichtigste.“

Dies ist leider ein Irrtum. Fachkompetenz wird heute einfach vorausgesetzt. Wie bereits im Kapitel Praxisleitbild erwähnt, können Patienten zudem schlichtweg nicht beurteilen, ob der Arzt ein guter Mediziner ist oder nicht. Sie können aber andere Dinge beurteilen – und das tun Sie: nicht nur im persönlichen Gespräch sondern auch im Internet. Mundpropaganda (positive aber auch negative!) findet heute in sozialen Netzwerken statt. Die Reichweite ist nicht abschätzbar. 

Es lohnt sich jedenfalls, über die Positionierung der eigenen Praxis nachzudenken. Dazu hält man am besten schriftlich fest, was für wen angeboten wird und wie/wodurch man sich von Mitbewerbern unterscheidet; wichtig dabei ist die Konzentration auf den jeweiligen Kernnutzen der Patienten (Zielgruppe).

Mit der Beantwortung folgender Fragen lässt sich der Kern der Markenpositionierung erarbeiten:
 

  • Warum sollen sich Patienten gerade für Ihre Ordination entscheiden? 
  • Was könnte Patienten davon abhalten sich für Ihre Ordination zu entscheiden?
  • Welche Patienten sollen Ihnen vertrauen – wen möchten Sie mit Ihrem Angebot ansprechen, wer sind Ihre Wunschpatienten?
  • Was macht Ihre Ordination interessant, „verlockend“? 
  • Welche Wünsche, Bedürfnisse und Sorgen Ihrer Patientensind Ihnen bereits bekannt? Denken Sie dabei auch an: Vertrauen, Risiken, Preise, bisherige Problemlösung und Erwartungen, Erreichbarkeit, Ängste, Hemmschwellen, Informationen, etc…
  • Was bekommen Patienten nur bei Ihnen?
  • Inwiefern unterscheiden sich die Leistungen und der Service Ihrer Ordination von denen der Mitbewerber? Wer sind die größten Mitbewerber und was bieten sie im Gegensatz zu Ihnen? 
  • Welches Zukunftspotenzial sehen Sie für Ihre Ordination?
  • Wann würden Patienten und die von Ihnen ausgewählte Zielgruppe Ihr Angebot auf jeden Fall annehmen? Denken Sie über Innovationen nach und suchen Sie zu jeder Hürde eine Lösung. 
  • Mit wem kooperieren Sie zurzeit? Welcher Dienstleister kann Ihr Angebot verbessern? Was können Sie einem Kooperationspartner anbieten? Wer bietet ergänzende Leistungen? 
  • Würden ausgewählten Patientengruppen zusätzlichen Nutzen auch aus eigener Tasche bezahlen?

Damit arbeitet man das Besondere der eigenen Praxis heraus, die wesentlichen Punkte (Nutzen!), die sich vom Mitbewerb abheben. Im nächsten Schritt muss dann klar und erkennbar kommuniziert werden, welche Besonderheiten, Vorteile (rational und emotional) man seinen Patienten ganz persönlich bieten will/kann. Damit fokussiert man auf das Wesentliche und nimmt eine klare Position ein – die eigene Leistung wird am Markt positioniert, sichtbar und erlebbar gemacht!

Tipp: 

Um sicherzustellen, dass auch dieser Schritt gelingt, ist es empfehlenswert sich einen versierten Experten an Bord zu holen, der mit Kommunikation und Markenentwicklung  vertraut ist und Ihr Markenversprechen treffend formuliert!

4. Schritt: DIE CORPORATE IDENTITY – die Praxisidentität erlebbar machen

Corporate Behaviour, Corporate Design und Corporate Communication gelten als die drei Ausdrucksformen der Corporate Identity – der Praxisidentität. 

Corporate Design ist die visualisierte – zuvor erarbeitete! – Praxisidentität (siehe Leitbild und Positionierung!) und somit eines der wichtigsten Kommunikationsinstrumente!

Das schließt die einheitliche Gestaltung aller visuellen Komponenten einer Ordination zu einem unverwechselbaren Erscheinungsbild ein (Typografie, Marken- u. Grafik-Design, Bilderwelten, Architektur, Kleidung der Mitarbeiter). Schriftstücke oder Formulare, welche die Praxis verlassen und die Website entsprechen allesamt dem Corporate Design. 

Corporate Behaviour ist der Umgang mit den Patienten und Interessenten, aber auch mit den Referenten, Kollegen und natürlich auch mit den Mitarbeitern (siehe Leitbild!). 

Corporate Communications – darunter versteht man die Regelung der internen und 
externen Kommunikation (siehe Leitbild!).

Um sich in der heutigen Informationsflut durchzusetzen, ist ein konsequentes Auftreten notwendig! 

Eine Corporate Identity zu schaffen bedeutet nicht nur, den Wiedererkennungswert der Praxis zu steigern sondern sich mit dem gesamten Profil des Unternehmens Arztpraxis zu befassen.

Die Corporate Identity bildet sich in der Interaktion der Praxis mit ihrem Umfeld (mit ihren Zielgruppen, ihren „Märkten" sowie den gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen) und verändert sich ständig. Die Handlungen des Unternehmens Arztpraxis – Corporate Behaviour, Corporate Communication und Corporate Design – sind nicht (nur) Ausdruck der Praxisidentität, sie konstituieren diese Identität! 


Tipp:

Professionelle Hilfestellung bei der Entwicklung der „Marke Arztpraxis“ ist eine Investition in die Zukunft, die sich mehrfach lohnt!


Dieser Beitrag von Viktoria Hausegger wurde auch im Fachbuch „Medizin trifft Marke“ Springer, 2015 publiziert.  

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